Naturheilkunde

Das traditionelle Heilwissen in Europa ist die Naturheilkunde, die in der Moderne durch Pfarrer Sebastian Kneipp oder den Arzt Maximilian Bircher-Benner bekannt wurde. Das wichtigste Wirkprinzip ist die Reiz-Reaktion: Unspezifische Reize, zum Beispiel durch temperiertes Wasser, aktivieren im Organismus – vermittelt über Nerven und Hormone – Mechanismen der Selbstregulation, welche zur Heilung führen oder sie unterstützen. Wieviel Dosis wieviel Wirkung erzielt, ist individuell unterschiedlich und unter dem Begriff „Hormesis“ Gegenstand internationaler Forschung geworden.

Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ist das naturheilkundliche Erfahrungswissen systematisch wissenschaftlich erforscht und belegt worden und erfüllt nun in weiten Teilen die Anforderungen der Evidenzbasierten Medizin (EMB). Einzelne Verfahren sind so zum Bestandteil von Leitlinien geworden oder finden über die „Integrative Medizin“ Eingang in die Hochleistungsmedizin. Es gibt mehrere Lehrstühle für Naturheilkunde in Deutschland und der Schweiz mit angeschlossenen Forschungsabteilungen.

Die wissenschaftliche Naturheilkunde ist salutogenetisch ausgerichtet: Sie hat ein bio-psycho-soziales Menschenbild, in dem es nicht nur um die krankmachenden (pathologischen) Faktoren geht, sondern vor allem auch um die individuellen Ressourcen, die Heilung ermöglichen oder zur Verbesserung der Lebensqualität führen (Salutogenese). Kernstück ist die Ordnungstherapie, eine Lebensstil-Medizin, die ein ausgeglichenes Verhältnis von Bewegung, Entspannung und gesunder Ernährung zum Ziel hat. Vor allem in der Behandlung von chronisch Kranken, aber auch in der Prävention hat die Naturheilkunde Vorteile gegenüber der konventionellen Medizin und kann sie sinnvoll ergänzen.

Mind-Body-Medizin

Aus den USA kommt die Mind-Body-Medizin. Die National Institutes of Health definieren sie als die Summe der Verfahren, die Wechselwirkungen zwischen Gehirn, Psyche und Körper auslösen und dabei emotional, mental, sozial, spirituell oder über ein bestimmtes Verhalten auf die Gesundheit. Dieser Ansatz „anerkennt und stärkt die individuellen Fähigkeiten für Selbst-Wirksamkeit und Selbst-Fürsorge“ (NIH 2006). In diesem Sinne ist die Mind-Body-Medizin eine moderne Fortschreibung der naturheilkundlichen Ordnungstherapie.

Sie hat Wurzeln in der Stressforschung und nutzt Erkenntnisse aus der Hirnforschung, der Psychoneuroimmunologie sowie Gesundheitspsychologie und -pädagogik, um Menschen zu befähigen, für ihr Wohlergehen zu sorgen und damit selbst zu ihrer Gesundheit beizutragen. Die Selbstwahrnehmung, die Selbstfürsorge und die Selbstverantwortung werden entwickelt und gestärkt. Neben der Naturheilkunde kommen auch Elemente aus anderen traditionellen Heilkunden wie Meditation, Qigong und Yoga zum Einsatz. Ziel ist die Mobilisierung der Gesundheitsressourcen.

Planetare Gesundheit

Der Klimawandel ist die größte Gesundheitsgefahr dieses Jahrhunderts (Lancet Countdown on Health and Climate Change). Die WHO, aber auch viele wissenschaftliche und medizinische Fachgesellschaften und Gesundheitsverbände, die Bundesärztekammer und das Bundesgesundheitsministerium unterstützen deshalb das Konzept der Planetaren Gesundheit. Es betrachtet die globalen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Systeme, welche die Lebensbedingungen auf dem Planeten bestimmen und so auf die menschliche Gesundheit wirken.

Schwerpunkte sind der Klimawandel, aber auch Nahrungssicherheit, Artenschwund und Pandemiegefahr. Ziele sind sowohl die Mitigation dieser negativen Entwicklungen als auch Prävention. Das Gesundheitssystem als Mitverursacher von Klimawandel und Ressourcenverbrauch soll klimaneutral und gleichzeitig Teil einer gesamtgesellschaftlichen Transformation hin zur Nachhaltigkeit werden.

Ernährung

Die Ernährung spielt in allen traditionellen Heilkunden eine zentrale Rolle. In der modernen Medizin wird sie zwar an bestimmte Krankheiten angepasst. Sie hat aber therapeutisch nicht den Stellenwert, den sie verdient. Erst in jüngster Zeit mehren sich Hinweise, dass die Ernährung zum Beispiel über das Mikrobiom im Darm zu neurologischen Veränderungen auch im Gehirn führen kann. Häufige Krankheiten wie Parkinson oder Demenz könnten damit im Zusammenhang stehen. Die Ernährung der Industriegesellschaften hat nicht nur Herz-Kreislaufleiden, Diabetes und Übergewicht zur Folge, sondern trägt über Zusatzstoffe und Nebenprodukte bei der Verarbeitung auch zu psychischen Veränderungen wie Aggressivität oder Depression bei.


Auch im globalen Zusammenhang ist Ernährung ein wesentlicher Faktor, wenn es um Klimawandel, Ressourcenschonung, Artenvielfalt und Pandemiegefahr geht. Für die Herausforderungen des Zeitalters des Anthropozäns hat die internationale EAT-Lancet Commission ein regional anpassbares Ernährungsschema entwickelt (Planetary Health Diet), das die Nahrungssicherheit gewährleisten und die Überhitzung der Erde mit begrenzen soll. Dafür ist es notwendig, die Ernährung überwiegend pflanzenbasiert zu gestalten, was gleichzeitig deutliche Vorteile für die individuelle Gesundheit bringt. Der weitgehende Verzicht auf Fleisch ist dabei auch der größte Beitrag, den Verbraucher individuell zum Klimaschutz leisten können.


Diese Erkenntnisse haben das Thema Ernährung zu einem hochaktuellen Forschungsfeld gemacht, nicht nur, was Stoffwechsel und Umweltschutz angeht, sondern auch die Motivation und Bereitschaft der Bürger, ihre Ernährung umzustellen und so ihre eigene Gesundheit mit der des Planeten zu verknüpfen und als Einheit zu verstehen.